Digitale Bauaufnahme mit AR (DemoS)
Teilprojekt 5: Entwicklung informationsbasierter Strategien und Werkzeuge für ressourcenschonende Umnutzung bestehender baulicher Strukturen
DemoS ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, welches sich mit dem gesellschaftspolitisch prägnanten Thema des Demografie- und Strukturwandels in Deutschland und Europa auseinandersetzt. In sechs Teilprojekten arbeiten sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an zukunftsorientierten Lösungen für unterschiedliche Fragestellungen. Das Teilprojekt fokussiert sich auf das zunehmend an Bedeutung gewinnende Thema des „Bauens im Bestand“: Ziel ist es, mit den vorhandenen baulichen Ressourcen intelligenter umzugehen, um den Verbrauch von natürlichen Rohstoffen signifikant zu senken, ohne auf ein hohes Maß an Raum- und Lebensqualität zu verzichten. Hierzu sollen informationsbasierte Strategien und web-basierte Werkzeuge aus dem Blickwinkel des Architekten bzw. der Architektur entwickelt werden.
Umfeld
Die Welt ist gekennzeichnet von fortwährender Entwicklung und stetigem Wandel. Dieser Wandel umfasst alle gesellschaftlichen Lebensbereiche. Dabei stehen globale Herausforderungen wie Klimawandel, Krisenbewältigung und wirtschaftliches Ungleichgewicht aber auch die digitale Transformation im Vordergrund. Neben diesen globalen Themen haben die heutigen Industrienationen jedoch auch mit soziodemografischen Entwicklungstendenzen sowie der stetig wachsenden Ressourcenverknappung zu kämpfen, deren Auswirkungen auch signifikant die Bau- und Immobilienbranche beeinflussen.
Aufgrund der größeren Dynamik der demografischen Entwicklungen gegenüber den baulichen Strukturen ergibt sich die Notwendigkeit von Umnutzungen, die zwingend unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung zu planen und zu realisieren sind. Ein grundhaftes Umdenken in der Bauwelt ist daher erforderlich. Gegenwärtig fehlt es hierfür an Konzepten und zukunftsrobusten Strategien für eine effiziente und ressourcenschonende Umnutzungsplanung. Der Anteil von Projekten im Bestand wächst dennoch unaufhaltsam. In der Planung und Ausführung dieser Baumaßnahmen treten jedoch oftmals Probleme und Verzögerungen auf, die mit dem Umgang mit vorhandenen Bauteilen, fehlenden oder unzureichenden Informationen und daraus resultierenden technischen als auch finanziellen “Überraschungen“ einhergehen. Ausgangspunkt einer jeden Planung im Bestand bildet daher die umfassende Aufnahme der Bausubtanz. Der Status quo, das heißt Bauweise, Materialien als auch Mängel, wird als Grundlage aller Maßnahmen festgesetzt. Ein durchgängig digitaler und strukturierter Bauaufnahmeprozess könnte somit planerische als auch finanzielle Diskrepanzen minimieren.
In der Umnutzung bzw. Sanierung von baulichem Bestand liegt die Zukunft der Baubranche. Eine wirtschaftlich effiziente und ressourcenschonende Bauabwicklung setzt eine gute Planung als Grundlage voraus. Diese beginnt mit einer fundierten Informationsbeschaffung und umfassender Geometrieerfassung. Die gegenwärtige Situation weist diesbezüglich jedoch erhebliche Defizite in Bezug auf eine kontextbezogene, strukturierte, unterstützende dreidimensionale und digitale Bauaufnahme auf. Das Erfassen, Einpflegen und Verarbeiten von Daten erfolgt bislang größtenteils analog, sodass planerische Diskrepanzen, damit einhergehende Verzögerungen im Planungs- und Bauablauf und unvorhersehbare Probleme entstehen.
Vorhaben
Die gezielte Verwendung digitaler Werkzeuge, die schnell kontextbezogene verlässliche Informationen liefern, könnte die Einschätzung der Potenziale bestehender baulicher Strukturen in den in Bezug auf Kosten- und Ressourcenverbrauch entscheidenden frühen Entwurfsphasen präzisieren. Die geometrische Raumerfassung erfolgt gegenwärtig überwiegend händisch mit Distanzmesser, Tachymeter oder Laserscanner. Die erfassten Daten werden anschließend meist im Büro ausgewertet und weiterverarbeitet. Die Auswertung und der Abgleich zwischen Bausubstanz und Planung ist somit momentan vor Ort, d.h. auf der Baustelle, kaum möglich. Der Einsatz moderner digitaler Technologien, insbesondere die Verwendung von Augmented und Virtual Reality, könnte hier die Lösung darstellen.
Ziel des Forschungsprojektes ist die Konzeptionierung und Prototypisierung eines kontextbezogenen, automatisierten Aufmaßsystems zur geometrischen Datenerfassung als Teil der Bestandsaufnahme. Die gezielte Integration dieses digitalen Systems in gegenwärtige Arbeitsprozesse des Architekten ermöglicht eine hohe Zeitersparnis, eine Vereinfachung der Geometrieerfassung, eine automatisierte 3D-Gebäudemodellerstellung sowie eine für die präzisierte Einschätzung der Potenziale dieser Baubestände erforderliche optimierte Datenverarbeitung und -auswertung. Die Trennung zwischen Vermesser und Entwurfsarchitekt soll aufgelöst werden. Der Planer wäre ohne zusätzliche Hilfe anderer Geräte und Personen in der Lage die Geometrie eines Raumes zu erfassen. Die Arbeitsprozesse werden zum Planer selbst zurückgeführt. Der derzeitige Stand der Technik (3D-Laserscanning) ist zu komplex, zeit- und bearbeitungsintensiv.
Konzept
Grundlage dieses Systems bildet ein Modell, welches die Arbeitsabläufe der architektonischen Bauaufnahme aufnimmt und diese mit den Möglichkeiten digitaler Werkzeuge (Wearables) überlagert. Die Zuhilfenahme von Datenbrillen (hier: Microsoft HoloLens) zur geometrischen Informationserfassung sowie die visuelle Darstellungsmethode der Augmented Reality zur Abgleichskontrolle komplettiert das Gesamtkonzept. Als digitale Schnittstelle zwischen Nutzer und Software (Mensch-Maschine-Interaktion) ermöglicht ein Endgerät (Tablet o. Smartphone) die strukturierte Erfassung und Eingabe erforderlicher Informationen (Geometrie, Mängel, Materialien, etc.) als auch die Steuerung der Datenbrille. Die Aufnahme der Raumgeometrie erfolgt mit Hilfe der in oder an der Brille integrierten optischen und sensorischen Einheiten (bspw. Time of Flight Kamera) in Echtzeit. Erfasste Daten können dann dreidimensional auf einem Endgerät oder mit Hilfe der Augmented Reality vor Ort visualisiert werden. Die Dokumentation als auch die Bewertung des Bauzustandes kann somit parallel zur Bauaufnahme stattfinden.
Erzielte Ergebnisse und Ausblick
Im bisherigen Projektverlauf erfolgten Aufmaßtests einzelner Räume und zusammenhängender Raumgruppen mit der HoloLens. Die erfassten Daten konnten in weiteren Schritten als dreidimensionale Informationen mit marktüblichen CAD-Programmen geöffnet und bearbeitet werden. Ein aus verknüpften Mesh-Flächen zusammengesetztes Polygonnetz bildet dabei die aufgenommene Raumgeometrie ab. Die Auswertung dieser Daten sowie der Abgleich mit händisch ermittelten Messwerten ergab Abweichungen von zirka 3%. Zudem weist die erfasste Netzstruktur Lücken als auch Unebenheiten, welche höchstwahrscheinlich auf unregelmäßige Lichtverhältnisse zurückzuführen sind, auf. Derzeit wird die Generierung eines rechteckigen Raumes ohne Öffnungen aus erfassten Geometrien mit Hilfe grafischer Programmierungssoftware (Rhinoceros 3D, Grasshopper, Fologram) erarbeitet. Ebenso konnte der konzeptionelle Aufbau der erzielten Applikation abgeschlossen werden.
Perspektivisch sind im Forschungsprojekt weitere Aufmaßtests und Abgleiche mit Messdaten von 3D-Laserscannern und händischen Messverfahren vorgesehen. Ziel ist es, den Umgang mit messprinzipbedingten Abweichungen bzw. Ungenauigkeiten zu optimieren. Als nächster Schritt wird eine klare Identifizierung von Raumkanten vorbereitet. Nach Abschluss einer vollständigen Raumgenerierung mittels grafischer Programmierung folgt die Erstellung eines Interfaces für die konzeptionierte Applikation sowie die Verknüpfung derer mit den erarbeiteten Algorithmen. Am Ende der Arbeit ist in Zusammenarbeit verschiedener Planungsbüros die prototypische Implementierung des Programms unter realen Bedingungen vorgesehen.
Keywords: demografischer Wandel, digitale Transformation, Ressourcenschonung, Umnutzungen, Bauen im Bestand, digitaler Bauaufnahmeprozess, geometrische Raumerfassung, Augmented und Virtual Reality, Datenbrille