KuKuMo
Entwicklung eines digitalen Werkzeugs für die durchgängige Planung von Kunsteisbahnen auf der Basis eines dreidimensional-parametrischen Kurvenmodells
Künstlich vereiste Bob- und Rodelbahnen sind äußerst anspruchsvolle Ingenieurbauwerke mit höchstem Schwierigkeitsgrad. Aufgrund ihrer komplexen Geometrie und starker, geländebedingter Gefälle (vgl. Abb. 2) gestalten sich Bau und Umbau solcher Konstruktionen als aufwendige und komplizierte Prozesse. Bei der Planung müssen zahlreiche Anforderungen (bau-)technischer, geometrisch-mathematischer sowie Nutzungs- bzw. Sportart bedingter Natur in Einklang gebracht werden. Im vorgenannten Kontext fokussierte das Forschungsprojekt deswegen auf die Entwicklung eines digitalen Planungswerkzeuges für den Neubau, Umbau, die Sanierung und den Betrieb solcher Kunsteisbahnen. Ziel der neuartigen adaptiven Planungsmethodik war eine vollständige, digitale Beschreibung nahezu beliebiger Bahngeometrien durch eine parametrische Bahnachse, bestehend aus einer Abfolge von Geraden und Kurven mit hoher Stetigkeit. Auf Basis einer konsistenten Modellumgebung optimiert das im Projekt entwickelte Tool Planungsprozesse und bietet dadurch Möglichkeiten, Kunsteisbahnen effizienter zu planen, zu bauen und zu unterhalten.
Zweidimensionale Modelle vs. dreidimensionale Bahnen
Entsprechend der Anforderungen des Eissports handelt es sich bei Bob- und Rodelbahnen um dreidimensionale Konstruktionen. Trotzdem basieren die bisherigen Planungsmethoden häufig noch auf zwei- bzw. zweieinhalb-dimensionalen Modellen. Die bis heute praktizierte Methodik fußt auf einem Ansatz, bei dem die Trassierung der Längsachse mit der Zuweisung orthogonal zur Bahnachse ausgerichteter Profilkurven entlang entsprechender Stationierungen (vgl. Abb. 3) verknüpft wird. Dies hat zur Folge, dass Bahnpositionen, die nicht zwischen zwei Profilkurven liegen, interpoliert werden müssen. Sowohl die Planung als auch Bau, Umbau oder Sanierung einer Bahn oder bereits existierender Bahnabschnitte sind daher modellbedingt hochgradig fehleranfällig.
Als problematisch erweist sich zudem die fehlende gemeinsame Datenbasis derzeit gängiger Planungswerkzeuge. Zumeist verwenden die einzelnen Fachplaner und Fachplanerinnen unterschiedliche Software für eigene, unabhängig erstellte Modelle, die den für sie relevanten Planungsinhalt abbilden. Das hat zur Folge, dass präzise Berechnungen zu Kosten, Zeit- und Rohstoffverbrauch nicht beziehungsweise nur mit eingeschränkter Genauigkeit möglich sind. Außerdem kann aufgrund der unvollständigen Beschreibung weder numerisch gesteuerte Maschinentechnik für Bau und Wartung der Bahnen eingesetzt werden, noch besteht die Möglichkeit, einzelne gekrümmte Elemente unter Werkstattbedingungen vorzufertigen. Aktuell verbreitete Planungsstrategien können demnach mit Blick auf Nachhaltigkeit und Effizienz nicht überzeugen.
Herausforderungen für das FLEX.team
FLEX entwickelte im Projekt eine adaptive Methode zur vollständigen Beschreibung beliebiger Bahngeometrien auf der Basis zweidimensionaler Querschnitts- sowie dreidimensionaler Geodaten. Die individuelle Trassierung der Bahnen inklusive der Integrierung aller planerischen Parameter stellte dabei eine erhebliche wissenschaftliche Herausforderung dar.
Ein besonderer Schwerpunkt in der Modellentwicklung lag auf der Aufbereitung komplexer Geometriedaten für statische Berechnungen und Analysen in gängigen FEM-Programmen (vgl. Abb. 4, 5). Darüber hinaus wurden im System Schnittstellenlösungen konzipiert und umgesetzt, welche eine bidirektionale Interoperabilität zwischen unterschiedlicher CAD-, CAM- und FEM-Software ermöglichen.
Dank langjähriger wissenschaftlicher Erfahrung auf den Gebieten des Entwurfs und der Bearbeitung vollständig dreidimensionaler Modelle für bautechnische Konstruktionen inklusive Geometriehandling, parametrischer Definitionen und Schnittstellenmodellierungen, konnte das FLEX.team auf ein umfangreiches, spezifisches Knowhow für die Arbeit am Projekt KuKuMo zurückgreifen.
Trassierung über parametrische Bahnachse und Verbundkurve
Parametrische Bahnachse
Um beliebige Bahnen in Abhängigkeit der Geländetopologie mit Hilfe eines parametrischen Modells beschreiben zu können, bedarf es zunächst einer komplett vom Start bis zum Ende definierten Bahnachse (vgl. Abb. 6, 7). Zu diesem Zweck wurde von FLEX ein regelbasiertes, allgemeingültiges Konzept entwickelt. Die parametrische Bahnachse basiert auf zweidimensionalen Geometriedaten, die vom Projektpartner Tragwerk PuR aus Referenzprojekten zur Verfügung gestellt wurden. Den Bahnverlauf beschreibt eine Abfolge von Geraden und Kurven mit krümmungsstetigen Übergängen (vgl. Abb. 8). Sie entwickelt sich aus einem Strang überlagerter Parameter, welche in Grundrissen, Längsschnitten sowie Höhenrissen abgelegt sind. Aus diesen Basisparametern wird im parametrischen Geometriemodell eine „Liste“ mit einer endlichen Anzahl räumlich präzise verorteter Punkte generiert. Diese wiederum bildet die Grundlage zur Erzeugung der parametrischen Bahnachse im Kontext der vorhandenen Modellumgebung.
Verbundkurve
Um stetig-harmonische Krümmungen der Bahngeometrie (vgl. Abb. 9) exakt beschreiben zu können, bedient sich die Methodik des aus der Straßenplanung bekannten Modells der Verbundkurve. In der Adaption des Ansatzes können die von Tragwerk PuR übermittelten geraden Bahnstücke durch Kenntnis der Kurvenwinkel, Kurvenrichtungen und Kurvenradien exakt im Raum hintereinander ausgerichtet werden (vgl. Abb. 10, links). Auf Basis dieser Parameter erfolgt die rechnerische Erstellung geometrisch individueller Bogenabschnitte (vgl. Abb. 10, Mitte) und deren Integration in die Bahnbeschreibung.
Klothoiden als mathematisch komplexe Kurvenform markieren die Übergänge zwischen den geraden und kreisförmig gekrümmten Bereichen. Sie werden als NURBS-Kurven mit wahlweise tangentialen oder krümmungsstetigen Übergängen in die Geometriedefinition implementiert (vgl. Abb. 10, rechts) und komplettieren die Haupttrasse der Bahn.
Planungswerkzeug und Informationsmodell
Das zentrale, vollintegrierbare 3D-Modell der Bahn vereint im Sinne der Bauwerksdatenmodellierung (BIM) einzelne, unabhängige Modelle in der CAD-Umgebung Rhinoceros. Dieses integrale Modell zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es nicht nur als Planungswerkzeug sondern auch als Informationsmodell fungiert. Als solches liefert es zu jedem Zeitpunkt der Planung und des Betriebs umfangreiche Informationen zu verschiedenen Aspekten der Bahn und dient so als gemeinsame, strukturierte Datenbasis für alle Fachplaner und Fachplanerinnen.
Das vollständige 3D-Modell integriert zugehörige Querschnittszeichnungen und 3D-Scans, visualisiert verschiedene Eigenschaften der Bahn wie Spannungen, Gelände, Schnittkräfte und Fahrdynamik und ermöglicht die Generierung von prüffähigen, präzisen Berechnungen durch den Einsatz von FEM-Programmen. Auch hinsichtlich der Fahrsicherheit können aussagekräftige Prognosen getroffen werden, denn mithilfe des Modells werden fahrsicherheitsrelevante Fahrlinienszenarien qualitativ hochwertig ausgewertet. Darüber hinaus können mit dieser Strategie genaue Mengenermittlungen für Bau- oder Sanierungsmaßnahmen berechnet werden, wodurch Ressourcen, Bau- und Betriebskosten sowie Planungsdauer signifikant gesenkt werden können. Außerdem bietet das Modell die Möglichkeit, Bahnelemente vorzufertigen und auf diese Weise die Bauphase zu verkürzen.
Das FLEX.team bedankt sich bei Prof. Dr.-Ing. André Sossoumihen vom Lehrbereich Verkehrs- und Infrastrukturplanung der HTWK Leipzig für die aktive Beratung und Unterstützung bei der Entwicklung des Verbundkurven-Ansatzes. Ein besonderer Dank geht auch an den Projektpartner Tragwerk PuR, sowie an den Projektträger AiF GmbH und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), welches das Projekt über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) förderte.
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