ZoLinkR.Wave
Limitierte geometrische Individualität ermöglicht doppelte Krümmung
Die ZoLinkR.Wave ist eine doppelt gekrümmte Trägerrost-Konstruktion aus Holz. Sie repräsentiert das analoge Resultat eines erfolgreichen digitalen Experiments. Bei diesem wurde das originär einfach gekrümmte Zollinger-Strukturprinzip auf die Anwendung im Kontext einer räumlichen gekrümmten Fläche übertragen. Das Projekt wurde bei einem internationalen Wettbewerb junger Architekten und Ingenieure im September 2015 in Amsterdam präsentiert.
Entwurfsidee
Das formal inspirierte, gestalterische Kernmotiv des Projekts spielt mit der Gegenüberstellung zweier Grundprinzipien der Lastabtragung. Ein zugbeanspruchtes Seil und ein druckbeanspruchter Bogen bilden dabei in Form gegenüberliegender Randkurven die Basiselemente der Formfindung. Zwischen diesen wird eine „vermittelnde“ Fläche aufgespannt, die wiederum eine räumlich veränderliche Krümmung aufweist. Durch „Applikation“ der Zollingerstruktur auf diese doppelt gekrümmte Fläche, wird das konstruktive Prinzip schließlich in einem formal wesentlich größeren und variableren Anwendungsgebiet nutzbar gemacht.
Einfache Krümmung und Standardisierung
Das von Friedrich Zollinger entwickelte und 1923 patentierte konstruktive Prinzip basiert im Kern auf der Idee der Steigerung der Wirtschaftlichkeit (baulicher Konstruktionen) durch Reduktion der Vielfalt der Elemente bzw. Erhöhung des „Wiederholungsfaktors“. Die „systemimmanente“, einfach gekrümmten Fläche wird dabei durch eine stete Kombination zweier geometrisch spiegelbildlicher Brettlamellen erzeugt. Das Prinzip steht somit sinnbildlich für die Kernidee der Industrialisierung des Bauens durch Standardisierung der Bauteile. Diese wurde von Protagonisten wie Ernst Neufert, Konrad Wachsmann, Mies van der Rohe oder Max Mengeringhausen seit den 1920er Jahren propagiert, erreichte jedoch in der Praxis wegen der deutlichen Beschränkung der gestalterischen Mittel nur eine beschränkte Akzeptanz.
Doppelte Krümmung und Parametrisierung
Doppelt gekrümmte Flächen weisen im Regelfall veränderliche Krümmungen auf. Sie repräsentieren somit eine schier endlose Vielfalt von Formen bzw. Geometrien. Bei der Verwendung als „tragende Konstruktion“ weisen sie ein enormes Leichtbau-Potenzial auf. Mit minimalem Materialaufwand lassen sich bei „lastaffiner Formgebung“ Konstruktionen mit enorme Tragqualität realisieren.
Die Applikation des Zollinger-Strukturprinzips auf eine variabel gekrümmte Fläche beinhaltet eine grundlegende Transformation des Charakters des Konstruktionsprinzips. Alle Brettlamellen müssen in diesem System eine individuelle Geometrie aufweisen, um in ihrer „konstruktiven Addition“ eine ebensolche Fläche „formen“ zu können. Voraussetzung für eine Realisierbarkeit solcher Strukturen unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist somit die Fertigung der Elemente mit Hilfe NC-gesteuerter Maschinen. Die notwendigen Fertigungsinformationen können nur im Ergebnis eines vollständig parametrisierten Entwurfs- und Planungsprozesses ermittelt werden. Dieser befreit das Bauen von den Limitierungen des Standardisierungsansatzes und bildet in Form intelligenter Prozessketten die Grundlage der Digitalisierung des Bauens.
Umsetzung
Die Realisierung des Entwurfskonzepts der ZoLinkR.Wave basiert auf der konsequenten Anwendung digital-parametrischer Entwurfsmethoden und Planungswerkzeuge. In einem intensiven und kreativen Planungsprozess wurden zunächst die Bohr- und Zuschnittgeometrien der einzelnen Lamellen auf der Basis eines selbst entwickelten Algorithmus generiert, analysiert und optimiert. Nach mehrfacher Plausibilitätsprüfung erfolgte die Transformation der Geometriedaten in einen maschinenlesbaren G-Code. Dieser wurde speziell auf die NC-gesteuerte Abbundmaschine abgestimmt und durch digitalen Datentransfer an den Kooperationspartner in Wangen (Allgäu) übergeben. Dort erfolgte schlussendlich die Fertigung der aus einer handelsüblichen Dreischichtplatte mit einer Dicke von 19 mm bestehenden Lamellen ohne Anwesenheit eines Mitglieds des Projektteams.
Die im Gegensatz zu in traditionellen Zollinger-Systemen verwendete Doppel-Bolzen-Verbindung sichert die „strukturelle Integrität“ der Struktur. Die damit gegebene (teilweise) biegesteife Verbindung der Lamellen bildet die Voraussetzung für die hängende Präsentation der Konstruktion im Kontext des nachfolgend beschriebenen Wettbewerbs. Die modifizierte Verbindung ist gleichsam die Voraussetzung für eine Limitierung der Verformungen des biegebeanspruchten, geschwungenen Trägerrosts auf ein optisch sowie strukturell verträgliches Maß.
2015 IASS Symposium Contest
Das Projekt repräsentiert den Wettbewerbsbeitrag der HTWK Leipzig zum 2015 IASS Symposium Contest. Der im Rahmen der Jahrestagung 2015 unter dem Titel "Future Visions" in Amsterdam ausgelobte offene Wettbewerb richtete sich an Künstler, Architekten, Ingenieure, Studenten, Professoren und Forschungsgruppen. Er beinhaltete die Aufgabe, eine innovative Pavillonstruktur zu entwerfen, zu planen, zu realisieren und während der Konferenz im „Muziekgebouw“ von Amsterdam zu präsentieren. An dem Wettbewerb nahmen 34 Teams aus 19 Ländern teil. Die International Association for Shell and Spatial Structures (IASS) ist eine weltweit agierende und anerkannte Vereinigung, die sich dem wissenschaftlichen Austausch rund um die Gestaltung, Analyse und Konstruktion von leichten Gitter-, Membran- und Schalenstrukturen widmet. Ein jährlich an verschiedensten Orten stattfindendes, mehrtägiges Symposium ermöglicht Wissenschaftlern, Architekten und Ingenieuren einen Wissens- und Gedankentransfer im Forschungsbereich.
Projektbeteiligte
Bearbeiter*innen: | |
Andrea Backenköhler, B.Eng. | Christine Krohne, B.A. |
Cristoph Dijoux, M.Sc. | Manuel Pietzsch, M.Sc. |
Lukas Franke, B.Eng. | Dipl.-Päd. Christian Soyk |
Marius Götzinger, B.A. | Marius Zwigart, M.A. |
Florian Krieg, B.A. | Dipl.-Ing. (FH) Henry Schulz |